1999
Mission und Gewalt
Dritter internationaler Kongress der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte (BGMG)
"Mission und Gewalt" - so lautete das Thema des dritten internationalen Kongresses, zu dem die BGMG einlud. Vom 18.-20. Februar 1999 trafen sich Historiker/-innen, Afrikawissenschaftler/-innen, Theolog/-innen und andere Fachleute aus vier Kontinenten in Berlin. Sie befassten sich mit der Frage, wie christliche Missionsgesellschaften bei der Ausbreitung des Christentums in Afrika, Asien und Ozeanien mit Gewalt umgegangen sind oder ihrerseits Gewalt ausgeübt haben.
Themen aus dem Bereich der christlichen Mission erwecken bei vielen negative Assoziationen: Missionsgesellschaften haben als Agenten des Kolonialismus zur Zerstörung überseeischer Kulturen beigetragen. Was ist an solchen Negativ-Urteilen richtig, was nicht? Wie haben Menschen des 19. Jahrhunderts auf die Begegnung mit fremden Kulturen reagiert? Der Kongress ging nicht nur solchen Fragen nach und trug damit zu einer kritischen Aufarbeitung der Missionsgeschichte bei. Er gab durch zahlreiche Vorträge internationaler Wissenschaftler/- innen auch einen Einblick in die faszinierende Welt des "großen Jahrhunderts" der protestantischen Mission. Keine verstaubte Quellenforschung also, sondern lebendige Vergangenheit, die unsere Gegenwart nachhaltig geprägt hat.
Bericht
Bericht über unseren dritten internationalen Kongress vom 18.-20. Februar 1999
von Dr. Dr. Ulrich van der Heyden und Dr. Jürgen Becher
Thema: Mission und Gewalt. - Der Umgang christlicher Missionen mit der Gewalt bei der Ausbreitung des Christentums in Afrika, Asien und Ozeanien in der Zeit von 1792 bis 1918/19

Die internationale Tagung "Mission und Gewalt" hat eine über den geplanten Rahmen hinausgehende Beachtung bei den Wissenschaftlern, aber auch in der allgemeinen Öffentlichkeit gefunden. Zur Eröffnungsveranstaltung konnten etwa 80 Teilnehmer begrüßt werden. Neben aktiv teilnehmenden Wissenschaftlern war auch eine Reihe von Fachleuten angereist, die keine vorbereiteten Diskussionsbeiträge hielten, sich jedoch zum Teil aktiv am Konferenzgeschehen beteiligten. Erfreulicher Weise nutzten auch einige Studierende und Nachwuchswissenschaftler die Gelegenheit, den fachlichen Diskurs zu verfolgen und selbst Beiträge zur Diskussion zu stellen. Da auch einige Journalisten anwesend waren, wurde über die Konferenz in der regionalen aber auch in der überregionalen Presse berichtet. Reportagen sowie Interviews liefen in lokalen Radiosendern.
Im Mittelpunkt der Konferenz stand der Umgang christlicher Missionare mit Gewalt und ihr Verhältnis zu den unterschiedlichsten Formen von Gewalt im kolonialen Alltag. Dabei wurden vor allem ideologische und ökonomische Gewaltaspekte sowie verdeckte und strukturelle Formen der Gewalt thematisiert. Eine Sektion befaßte sich gezielt mit dem Vergleich christlicher und islamischer Missionierung. In anderen Sektionen wurden Fallbeispiele aus Asien und Afrika zum Teil recht lebhaft diskutiert. Da die Konferenz in Berlin stattfand, lag es auch auf Grund der großen Zahl von Anmeldungen nahe, eine gesonderte Sektion der Analyse der Missionare der Berliner Missionsgesellschaft in Ost- und Südafrika zu widmen. Die Verankerung der Referenten in den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen (Missions- und Religionshistoriker, Kolonial- und Afrikahistoriker, Ethnologen, Erziehungswissenschaftler, Asienwissenschaftler, Theologen, Sprachwissenschaftler, Politologen u. a.) setzte besondere Akzente hinsichtlich eines interdisziplinären Herangehens an die Konferenzthematik.
Die Konferenz wurde, so der Tenor der Stimmen der Teilnehmer, als voller Erfolg gewertet. Vor allem wurde die zahlreiche Teilnahme von Referenten aus Afrika und Asien gewürdigt. Durch eine zusätzliche Förderung des DFG-Osteuropa-Programms konnten zwei weitere ausländische Wissenschaftler (Rußland, Slowakei) zum Gelingen der Tagung beitragen. Die Humboldt-Stiftung übernahm die Aufenthaltskosten eines Beiträgers aus Togo. Die Tagung "Mission und Gewalt" wurde als würdige Nachfolgekonferenz der wissenschaftlichen Veranstaltung, die vom 17. bis 20. Oktober 1994 ebenfalls in Berlin stattgefunden hatte und unter dem Thema "Missionsgeschichte - Kirchengeschichte - Weltgeschichte. Christliche Missionen im Kontext nationaler Entwicklungen in Afrika, Asien und Ozeanien" stand, betrachtet. Neben der damaligen anregenden Diskussion war vor allem der daraus entstandene Konferenzband, der als erster Band des "Missionsgeschichtlichen Archivs" im Franz Steiner Verlag in Stuttgart publiziert worden war, in guter Erinnerung und im Gespräch. Er wurde vielfach der Wunsch geäußert, dieser zweiten Tagung, weil nunmehr schon so gut wie eine Institution geworden, in absehbarer Zeit (in vier bis fünf Jahren) eine weitere folgen zu lassen; zunächst jedoch sollten die gehaltenen Beiträge in überarbeiteter Form ebenfalls veröffentlicht werden.
Wenngleich von den Organisatoren genügend Zeit für Diskussionen während der drei Tage vorgesehen worden war und vor allem deshalb (indes auch wegen der steigenden Zahl von Anmeldungen) am zweiten Konferenztag statt in zwei in drei Sektionen getagt wurde, beklagten einige Teilnehmer die Tatsache, daß die eine oder andere kontrovers diskutierte Frage nicht vollständig geklärt werden konnte. So gab es Anregungen genug, um eine weitere Tagung folgen zu lassen. Die Pausen und der Umstand, daß im Konferenzgebäude auch die Mehrzahl der Teilnehmer untergebracht war und somit die Kommunikation informell fortgesetzt werden konnte, boten gute Gelegenheit, strittige Probleme weiter zu diskutieren. Auch bietet die vorgesehene Überarbeitung der Manuskripte für den Druck, verbunden mit der Tatsache, daß nunmehr etwas mehr Platz für die Darlegungen vorhanden ist, eine gern aufgegriffene Möglichkeit, die gewonnenen Anregungen zu verarbeiten.
Ein nach der Bewilligung der DFG aufgetretenes organisatorisches Problem hatte letztlich die oben angedeutete positive Wirkung in bezug auf die guten Kommunikations- und Diskussionsmöglichkeiten. Und zwar hatte die Geschäftsführung des vorgesehenen Konferenzortes kurzfristig, ohne die Organisatoren zu informieren, den Preis für die Miete der Tagungsräume sowie für die Unterkunft verteuert. Um in etwa in dem Preisniveau, wie bei der DFG beantragt und genehmigt worden ist, zu verbleiben, hatten sich die Organisatoren entschlossen, den Tagungsort zu wechseln (Die DFG wurde darüber schriftlich informiert). Zu den ursprünglich veranschlagten Konditionen stellte der Journalism & Media Service in Berlin/Dahlwitz-Hoppegarten sein Gebäude und seine Infrastuktur zur Verfügung. Nicht nur, daß Tagungsräume und Unterkunft in einem Gebäude untergebracht waren, sondern auch die Tatsache, daß der Tagungsort am Rande Berlins liegt und somit abseits großstädtischer Störungen und Verführungen, hatte zur Folge, daß eine intensive Diskussion und Kommunikation auch über die Sektionen hinaus gegeben war.
Der Umstand, daß nicht nur das Seminar für Missions- und Religionswissenschaften sowie Ökumenik der Humboldt-Universität zu Berlin allein als Veranstalter auftrat, sondern als Mitveranstalter das Seminar für Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin sowie die Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte e. V. (BGMG) verantwortlich zeichneten, ist als sehr positiv zu bewerten. Zwar konnten die Mitveranstalter kaum finanzielle Unterstützung gewähren, jedoch im gewissen Rahmen personelle und infrastrukturelle Unterstützung gewähren. Bei dem Ausgleich der Differenz zwischen veranschlagter und wirklicher Mietkosten konnte die BGMG helfend eingreifen.
Ausgehend von der Tatsache, daß das Anliegen der Konferenz die Zusammenführung von historisch arbeitenden Sozialwissenschaftlern mit Missions- und Religionshistorikern war, um gemeinsame Positionen bei der Bearbeitung der Thematik "Mission und Gewalt" herauszuarbeiten, aber auch um unterschiedliche Ausgangshaltungen bei der Bearbeitung der Thematik zu bestimmen, läßt sich nur die Schlußfolgerung ziehen, daß die drei Tage wohl von allen Teilnehmern als voller Erfolg betrachtet wurde. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Auswertung missionarischer Quellen hat hierdurch, auch im internationalen Kontext gesehen, neue Impulse gewonnen.
Das Tagungsbüro hatte mit einigen Widrigkeiten organisatorischer Art fertig zu werden. Abgesehen von der Tatsache, daß einige Teilnehmer kurzfristig wegen Krankheit absagten und dadurch das Programm mehrfach revidiert werden mußte, ein Fluglotsenstreik in Finnland zwei angemeldeten Referenten die Teilnahme unmöglich machte, angemeldete Redner später eintrafen bzw. früher abreisen mußten, war aus inhaltlicher Sicht die Tatsache bedauerlich, daß vornehmlich auf Grund der eben genannten Umstände die Thematik in bezug auf die vorgesehene Region Ozeanien kaum diskutiert wurde.
Auf Grund des großen Interesses von seiten der beteiligten Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen und angesichts der bereits eingegangenen Nachfragen wäre es äußerst wünschenswert, die Konferenzbeiträge in überarbeiteter Form zu veröffentlichen.
Programm
Programm des internationalen BGMG-Kongresses zum Thema
"Mission und Gewalt"
- Der Umgang christlicher Missionen mit Gewalt und die Ausbreitung des Christentums in Afrika, Asien, Ozeanien in der Zeit von 1792 bis 1918/19

Hauptvortrag: Andreas Feldtkeller/Heidelberg:
Christliche Mission und islamische Ausbreitung
Alex Carmal/Haifa:
Der Kaiser reist ins Heilige Land - Legende und Wirklichkeit
Ejel Jakob Eisler/Haifa:
Gewalt gegen die protestantische Mission in Nabus und die nachfolgende Versöhnung (1854-1901)
Frank Foerster/Berlin:
Mission in der Stille - Die gewaltlose Missionskonzeption Christian Friedrich Spittlers für Jerusalem und Äthiopien

Klaus Hock/Rostock:
Jihad - Mahaismus - Sklaverei. Eine islamische Tradition der Gewalt im Zentralsudan?
Vera Pawlikova -Vilhanova/Bratislava:
Crescent or cross: Islam and Christian mission in
ninetheenth-century east and central Africa
Michael Pesek/Berlin:
Kreuz oder Halbmond. Die deutsche Kolonialpolitik zwischen Pragmatismus und Paranoia in Deutsch-Ostafrika, 1908-1914
Sigvard von Sicard/Birmingham:
Missionary Attitudes and Approaches to Muslims. Zanzibar 1864-1890
 
Sektion 2.      Mission und Gewalt in Afrika
Werner Ustorf/Birmingham:
What if the light in you is darkness? An inquiry into the shadow of the missionary self
A.S. Balesin/Moskau:
Europäische Missionare in Ost- und Südafrika: Kulturbegegnung oder Gewalt?
Henry C. Jatti Bredekamp/Belleville:
The Khoekhoe servants revolt, Moravian
missionaries and Khoekhoe converts at the turn of the 18th. century in South Africa
Nkem Hyginus M. V. Chigere:
Missionary violence and culture- conflicts in
christian evangelisation among the Igbo of Nigeria
Ernst Dammann/Pinneberg:
Gedanken eines alten Missionars über Gewalt in der Mission in Schwarzafrika
Hans Heese/Belleville:
Pietism and protest: The people of Amalienstein and Zoar and the Berlin Missionary Society in the nineteenth century
Irving Hexham/Calgary:
Violating Missionary Culture. The Tyranny of Theory and the Ethics of Historical Research
Ulrich van der Heyden/Berlin:
Der "Burenkrieg" von 1899 bis 1902 und die deutschen Missionsgesellschaften
Elfriede Höckner/Wien:
Monogamie contra Polygamie: Strukturelle Gewalt im Kontext sozialer Beziehungen
Gunther Pakendorf/Kapstadt:
Die Missionsordnung im 19. Jahrhundert
C. M. Pauw/Stellenbosch:
Mission and violence in Malawi. A case study involving the Dutch Reformed Church Missionand colonial violence
Karla Poewe/Calgary:
The spell of National Socialism. The Berlin Mission's Opposition to, and Compromise, with the Völkisch Movement and the National
Socialism: Knak, Braun, Weichert
Johannes W. Raum/München:
Missions and Missionaries and the problem of violence during the frontier wars on the eastern frontier of the Cape colony in the middle of the 19th century
Kathrin Roller/Berlin:
"Statt dessen schwang sie eine andere Waffe..." Gewalt und Geschlecht in Missionstexten aus der Zeit der Jahrhundertwende. Ein
Diskussionsbeitrag an deutsch- südafrikanischen Beispielen.
Andrea Schultze/Berlin:
"Pach schlägt sich. Pack verträgt sich." - Heinrich Kallenberg und sein Widerstand gegen die gewaltsame Landnahme der Europäer (Südafrika um 1880)

Harri Siiskonen/Joensuu:
The seven year war (1863-1870) in South West Africa

 
Sektion    3.   Mission und Gewalt in Asien
Daniel Jeyaraj/Madras:
Missionsgedanke und Gewaltausübung am Beispiel der dänisch-halleschen Mission
Michael Bergunder/Halle:
Proselytismus in der Geschichte des indischen
Christentums. Eine ökumenische Bestandsaufnahme
Albert Frenz/Geislingen:
Der Widerstand der Mappilas in Hermann Gunderts Schriften
Vera Mielke/Oldenburg:
Unterstützung und Bekämpfung von Gewalt durch Missionarinnen in China 1842 bis 1918 unter besonderer Berücksichtigung der Missionarinnen der Liebenzeller Mission
C. S. Mohanavelu/Madras:
Karl Graul's efforts to promote evangelic Lutheran Mission in Tamil Nadu during 1944-1864
Andreas Nehring/Seeon:
Kastenkonflikte in Südindien im Spiegel der Leipziger Missionsberichte
Gerhard Tiedemann/London:
Bekehrung und Gewalt: Missionsprotektorate und die Ausbreitung des Christentums in China 1842-1918
 
Sektion 4.     Christliche Mission und deutsche Kolonialherrschaft in Afrika
Cuthbert Omari/Daressalam:
A reflective synopsis of the Berlin missionaries: Past expierience, lessons for the future
Ingrid Grienig/Berlin:
"Ein äusserst schwer zu bedienendes Missionsobjekt": Die Farmarbeiter. Zum Wirken der Rheinischen Mission in der letzten Phase
Deutsch-Südwestafrikas
Adja Kouassi/Bouaké:
Die katholische Mission und die Kolonialverwaltung im Schutzgebiet Togo: Konflikte und Kompromisse
Kari Miettinen/Joensuu:
"Living on the King's land and drinking the King's water". Evolution of the relationship between Finnish Missionaries and Ondonga Kings, 1870 -  1920
Paul Nzacahayo/Edinburgh:
The role of the White Fathers in socio- economic conflicts in Rwanda between 1899 - 1916
Gabriel K. Nzalayaimisi/Iringa:
The Berliners and violence in eastern and southern Tanzania 1887 - 1919
Adja‹ Paulin Oloukpona-Yinnon/Lomé:
Die Bremer Mission und der Tove- Aufstand von
1895 in Togo
Joseph Parslaw/Arusha:
The founding of Arusha Town
Richard Pierard/Terre Haute:
The expulsion of German Protestant missionaries from the mission fields by the Allies in World War I
Sara Pugach/Chicago:
"Der Kampf im Interesse der Sprachen der Eingeborenen": Carl Meinhof, German Evangelical Missionaries and the Struggle over African Languages, 1875-1914
Harald Sippel/Bayreuth:
Mission und Gewalt in Deutsch- Ostafrika. Das Verhältnis zwischen Mission und Kolonialverwaltung
Holger Weiss/Helsinki:
The Beginning of Finnish Missionary Activity in Northern Namibia and its First Setbacks, 1869-1872

Geleitwort
Zum Geleit
Vorwort zum Dokumentationsband der Konferenz "Mission und Gewalt"
von Dr. Johannes Althausen
Wie fruchtbar der interdisziplinäre Dialog über die Geschichte der Mission sein kann, hat das dritte seit 1991 in Berlin durchgeführte Symposion zu missionshistorischen Fragen gezeigt. Nach der regionalen Thematik zum 100-jährigen Gedenken an den Beginn der Mission in Tansania 1991 und nach der systematischen Fragestellung über das Verhältnis zwischen Missionsgeschichte, Kirchengeschichte und Weltgeschichte 1994 hat die Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte zusammen mit dem Lehrstuhl für Mission und dem Afrika-Seminar an der Humboldt-Universität in Berlin diesmal zur Erforschung und Diskussion über das Problem des Verhältnisses von Mission und Gewalt eingeladen. Wie die hier vorgelegte Dokumentation des Symposions beweist, hat die Thematik zu sehr unterschiedlichen Arbeiten angeregt. Die Ausbreitung des Christentums hat sich zu allen Zeiten und überall in einem ambivalenten Spektrum von geistig/geistlicher Begegnung der Menschen, Völker und Kulturen und einer Auseinandersetzung stattgefunden, bei der Machtstrukturen verändert oder in Frage gestellt wurden. In der Mission der letzten 200 Jahre ist diese Spannung mehr als vorher zu einem Problem auch des einzelnen Menschen und der Grundhaltung der missionarischen Persönlichkeit geworden. Das in einer angemessenen Weise zu erforschen und im einzelnen darzustellen, bedarf umso mehr der Zusammenschau aus historischer, anthropologischer, ethnologischer, psychologischer, politologischer und anderer Sichtweisen ebenso wie der theologischen Betrachtung in ihren verschiedenen Bereichen. Fragen der Kulturbegegnung sind viel zu umfassend, als daß sie von einer Disziplin allein angemessen erfaßt werden können.
Das Thema "Mission und Gewalt" erweist sich in diesem Diskurs als ein Forschungsgegenstand, der von allen Seiten leicht zugänglich ist. Das war für unser Symposion von großem Vorteil. Das breite Spektrum der Disziplinen, die in der Dokumentation vertreten sind, macht das deutlich. Man wird aber auch gewahr, daß mancher Beitrag der Realität noch näher kommen würde, wenn er andere Zugangsweisen zum Stoff ausführlicher berücksichtigt hätte. Und obwohl sich die Tagung durch eine gute Gesprächsatmosphäre auszeichnete, oder eben gerade weil sie es tat, waren auch die kritischen Stimmen nicht zu überhören. Missionskritik hat in der DDR einen staatlich und ideologisch geförderten Stellenwert gehabt. Das ist - so weit ich sehe - auf dem Symposion nicht thematisiert worden. Aber mancher, der aus solchen Erfahrungen kommt, geht damit anders um als andere. Das gilt sowohl für diejenigen, die Mühe haben, die vom "Klassenstandpunkt" geprägte Herangehensweise zu hinterfragen, als auch für diejenigen, die Probleme haben, die Ambivalenzen der Geschichte zu akzeptieren. Daß Mission und Gewalt oft sehr nahe zueinander gekommen sind, ist nicht strittig. Daß Mission emanzipatorische Prozesse verursacht, weil sie von einer befreienden Botschaft lebt, darf aber auch nicht als selbstverständlich oder geringfügig angesehen werden. Die Offenheit und Lebendigkeit des Dialogs während der Tagung haben hoffentlich dazu beigetragen, daß die selbstkritischen Verarbeitung vorgefaßter Meinungen nötige Schritte nach vorn gemacht hat. Erfrischend und sicher förderlich zur Akzeptanz neuer Perspektiven war das Gespräch zwischen den Forschern aus den Ländern der südlichen Kontinente und denen aus Europa und Amerika. Wenn man erlebt, wie viel noch über Mission geredet und geschrieben wird, ohne daß die Stimme der "Empfänger" präsent ist, so war die Tagung trotz der relativ schwachen Repräsentanz aus dem Süden doch ein ermutigendes Beispiel.
Zu den Höhepunkten der Begegnung gehörte es, daß Prof. Dr. Ernst Dammann aus Pinneberg begrüßt werden konnte. Als der Senior des Faches vekörpert er wie wenige den interdisziplinären Dialog. Er ist Missionspraktiker gewesen ebenso wie er als Sprachwissenschaftler, Missions- und Religionswissenschaftler bekannt geworden ist.
Für Lebhaftigkeit und Innovationsbereitschaft hat schließlich auch die Tatsache gesorgt, daß das Symposion erfahrene Forscher und Neulinge zusammengeführt hat. Das Gespräch zwischen den Generationen war sehr hilfreich für beide Seiten. Das zwischen der Mehrheit der männlichen Teilnehmer und den Forscherinnen ist in Gang gekommen, wenn es auch für manche oder manchen noch besser hätte genützt werden müssen.
Der Tagungsort war günstig. An der Stadtgrenze Berlins mitten in einem vor wenigen Jahren erst auf freiem Feld errichteten Gewerbegebiet gelegen, bot er gleichermaßen Geschlossenheit und Kommunikationsmöglichkeiten, die das Gespräch förderten. Für die Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte, die 1994 gegründet worden ist1 war die Tagung die erste größere Gelegenheit, ihre interdisziplinären Ambitionen zu verwirklichen. Sie ist sehr dankbar, daß sie dabei mit den Partnern in der Universität zusammenwirken konnte und dankt allen, die der Einladung gefolgt und sich dem Gespräch gestellt haben. Sie ist durch das Ereignis in ihrer Arbeit sehr ermutigt worden. Indem sie den Berichtsband in der Reihe des "Missionsgeschichtlichen Archivs" vorlegt, möchte sie zur Fortsetzung des Gespräches zwischen den Forschungsgebieten einladen.
Ein besonderer Dank gebührt den Herausgebern und allen, die die technische Vorbereitung für die Veröffentlichung dieser Dolumentation geleistet haben. Wir danken für gute Kooperation mit dem Steiner-Verlag, der die Reihe unserer Monographien betreut. Daß wir immer wieder Möglichkeiten für die Anregung interdisziplinärer Forschung auf dem Felde der Missionsgeschichte finanzieren können, danken wir schließlich auch der "Deutschen Forschungsgemeinschaft".
Berlin, im Juli 1999